May 22, 2025

Transfer Pricing (TP) und Parallelimporte: Eine stille Revolution durch den Bundesfinanzhof (BFH)

Ein BFH-Urteil bringt frischen Wind ins Transfer Pricing: Lokales Marketing kann eine verdeckte Gewinnausschüttung auslösen – auch ohne direkten Konzernbezug. Das Urteil ist ein Weckruf für internationale Steuerabteilungen.

Die Diskussion rund um Transfer Pricing und die verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) ist um ein bemerkenswertes Kapitel reicher. Mit Urteil vom 11. Dezember 2024 (I R 41/21) hat der BFH entschieden, dass auch Marketingeffekte ohne direkte Konzernverrechnung eine vGA begründen können – insbesondere bei sogenannten Parallelimporten bei denen Großhändler Originalprodukte in EU-Ländern mit niedrigen Preisen, wie beispielsweise Rumänien, erwerben und diese dann an Importeure weiterverkaufen, die sie auf Märkten mit einem hohen Preisniveau, wie zum Beispiel in Deutschland, vertreiben. 

Was auf den ersten Blick wie ein Spezialfall aus dem Pharmabereich wirkt, hat in Wahrheit strukturveränderndes Potenzial für viele Transfer Pricing Modelle internationaler Unternehmensgruppen. 

Der Fall im Kern: 

Eine deutsche GmbH vertreibt als Limited-Risk-Distributor Originalprodukte ihrer Muttergesellschaft – gleichzeitig werden dieselben Originalprodukte von fremden Dritten über Parallelimporte auf dem deutschen Markt vertrieben. Die deutsche GmbH bewirbt die Produkte stark und trägt die hiermit verbundenen Kosten. Zeitgleich wird hierdurch auch die Nachfrage nach den Parallelimporten gestärkt, von der die Muttergesellschaft profitiert. 

Die Finanzverwaltung sah hierin einen nicht vergüteten Vorteil für die ausländische Konzernmutter – und damit eine vGA. Der BFH bestätigte: Auch unbeabsichtigte, aber gruppenweit wirksame Marketingeffekte können eine vGA auslösen, wenn ein fremder Dritter hierfür eine Vergütung verlangen würde. 

Was bedeutet das aus strategischer Sicht? 

  1. Transfer Pricing muss Marketing neu denken. 

    Nicht nur klassische IP-Nutzung oder Warenflüsse erzeugen Wert – auch Spillover-Effekte aus lokalen Marketingaktivitäten können gruppenweite Vorteile schaffen, die entsprechend zu vergüten sind.

  2. Wirtschaftliche Zurechnung trotz fehlender Kontrolle. 

    Dass der lokale Vertrieb keine vertragliche Möglichkeit hat, Parallelimporte zu beeinflussen, entbindet ihn nicht von der wirtschaftlichen Analyse. Die Frage lautet: Wer profitiert vom Aufwand – und wurde dies ausreichend vergütet?

  3. Ein Rechenbeispiel für die angemessen Vergütung.

    Der BFH geht in seinem Urteil sogar weiter und schlägt ein konkretes Modell zur Wertbestimmung vor: Bonuszahlungen an die Außendienstmitarbeiter, gewichtet mit dem Anteil der Parallelimporte, zzgl. fremdüblicher Kostenaufschlag. Das ist mehr als ein Rechenbeispiel – es ist ein Indikator dafür, wie granular deutsche Gerichte künftig wirtschaftliche Vorteile erfassen könnten. 

Warum ist das mehr als ein "Pharma-Problem"? 

Der Kern des Urteils betrifft alle Branchen mit gemeinsamer Markenführung, zentraler Marketingstrategie oder fragmentierten Vertriebskanälen, so auch:

 • Konsumgüter mit Grauimport-Risiken

 • Luxus- und Elektronikunternehmen mit Drittvertrieb

 • Digitale Plattformen mit paralleler Produktvermarktung 

Unsere Perspektive:

Dieses Urteil verschiebt die Grenzen zwischen lokalem Aufwand und globalem Nutzen. Steuerabteilungen und TP-Verantwortliche sollten prüfen, wo in ihren Strukturen lokale Einheiten unbeabsichtigt gruppenweite Vorteile erzeugen – und wie diese in den bestehenden Verrechnungspreismodellen abgebildet werden. 

Fazit: 

Der BFH zwingt uns, die Wertschöpfung neu zu vermessen – auch dort, wo sie nicht ausdrücklich beabsichtigt war. Wer diese Entwicklung ignoriert, läuft Gefahr, nicht nur formale Vorgaben zu verletzen, sondern essenzielle Prinzipien des Fremdvergleichsgrundsatzes zu verfehlen.

 

 

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